
Etwas anekdotisch Teil II – Studenten entdecken
Sensationelles:
Gunnar Asplunds Stockholmer Bibliothek ist in
Wirklichkeit ein Bahnhof! (… und das Gerichtshaus in Sölvesborg ein Bauernhof
…)
Erst mit dem Schnitt wird der oftmals als Partitur der Architektur
bezeichnete Grundriss wirklich zur Handlungsanweisung für das Erschaffen von
Raum. Neben der vergleichsweise einfachen Information zu den Höhen der im
Grundriss festgelegten Räume, die uns der Schnitt liefert, stellt gerade er das
Werkzeug dar, um komplexere räumliche Ausformulierungen und gegebenenfalls auch
Verschneidungen zu entwickeln und abzubilden. In der sogenannten „Schnittlösung“
zeigt sich oftmals die wahre räumliche Komplexität eines Entwurfes. Gleichzeitig
aber offenbart sich hier – mehr als in den meisten Grundrissen – eine ganze
Fülle an räumlichen Interpretationen. Ausgehend vom isoliert betrachteten
Schnitt, den man zu diesem Zwecke mal als einen seiner „Ansichtslinien“
beraubten, reinen Schnitt betrachten mag, könnte ein Entwurf und ein damit
gemeintes Gebäude nochmals fundamental anders erdacht werden. Der Schnitt kann
gewissermaßen mit ganz anderen Räumen „gefüllt“ werden, als denen, die der
Architekt mit seiner Hilfe erdacht hat. Hierbei dient uns als entwerferischer
„Steigbügelhalter“ der Rückgriff auf eine Technik, die in der Geschichte der
Architekturdarstellung in höchstem Maße und auch für den Laien räumliche
Anschaulichkeit zu erzeugen im Stande war und immer noch ist: die
Schnittperspektive. Die Handlungsanweisung an unsere Studenten lautete also:
Nimm einen von drei vorgegebenen Schnitten und reichere ihn ausschließlich in
einer Schnittperspektive mit Räumen an, die wiederum als „Handlungsräume“ einer
selbst zu erfindenden Geschichte verstanden werden sollen. Die Bearbeitungszeit:
Ein Tag und eine Nacht – so dass hoffentlich nicht die Vernunft der durchaus
ironisch zu behandelnden Aufgabe in die Quere kommen mag!
Herrje, schon
wieder anekdotisches Entwerfen, könnte man sagen. Ja, und wieder einmal liegt
genau darin der didaktische Wert dieser Aufgabe – und seiner Fokussierung auf
das Erdenken von Raum, deren Motor die eigene „Geschichte“ ist. Dass die drei
vorgegebenen Schnitte sämtlich gebaute Werke des Architekten Gunnar Asplund
abbilden, erhöht gleichzeitig den Reiz der Aufgabe – auch deswegen, weil man
erstaunlicherweise in den bereinigten Schnitten, wie wir feststellen mussten,
gar nicht so leicht die Originalgebäude (die Bibliothek in Stockholm, das
Gerichtshaus in Sölvesborg und das Kaufhaus in Stockholm) zu erkennen vermag –
zumindest unsere Studierenden nicht!
"SZENEN DREIER HÄUSER [von
Gunnar Asplund]"
Florian Fischer und Sebastian Multerer
(Hrsg.)
Technische Universität München
Fakultät für Architektur
2012, Broschur, 88 Seiten,15x11 cm, 2-Farb-Druck, zahlreiche Abbildungen SW
ISBN 978-3-941370-19-7
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