Bodennutzung

Bodennutzung
Warum wird deutschlandweit Jahr für Jahr eine Fläche der annähernden Größe des Stadtgebiets Münchens neu „verbraucht“? Woher kommen die Vorbehalte gegenüber einer Innenverdichtung, wenn gleichzeitig die Altstadtviertel mit ihren extrem hohen Dichten zu den beliebtesten Vierteln zählen? Nachverdichtung, Funktionsmischung und Bremsung der rasanten Kostenentwicklung hängen eng mit der effizienten und sozial gerechten Nutzung der begrenzt verfügbaren Ressource Boden zusammen. Je nach Lage macht der Bodenpreis einen großen Teil des Miet- bzw. Kaufpreises von Immobilien aus und ist für die Bezahlbarkeit von Lebensraum ein entscheidender Faktor.
In den Veranstaltungsreihen 2017 und 2018 wurden an der TUM Visionen für eine zukünftige Bodenordnung diskutiert, die zu einer neuen Qualität einer kompakten, urbanen Stadt der kurzen Wege mit kleinteiligen, soziokulturell- und nutzungsgemischten, lebendigen Quartieren führen kann und alle Bevölkerungsgruppen am Allgemeingut Boden beteiligt.

Die Zersiedelung und Zerschneidung der Landschaft schreitet – zumindest aus dem Blickfeld des Einzelnen betrachtet – langsam voran und wird daher kaum als drängendes Problem wahrgenommen. Erst der Rückblick über lange Zeiträume offenbart die Veränderung unserer Lebensräume: Wo ist der Wald, in dem man als Kind gespielt hat? Seit wann gibt es hier ein Gewerbegebiet? Wo finde ich noch weitgehend unberührte Natur ohne die Hintergrundgeräusche der nächsten Schnellstraße? Aber auch innerorts hinterlässt die ineffiziente Nutzung des Bodens Zwischenräume zweifelhafter Raumqualität. Trotz aller Bemühungen der letzten Jahre, den Flächenverbrauch einzudämmen ist das Ziel der Bundesregierung, den täglichen Flächenverbrauch bis 2030 auf 30 Ha zu reduzieren in weiter Ferne. Und: sollte das Ziel bei stagnierenden Bevölkerungszahlen nicht bei 0 Ha. liegen? Hohe Bebauungsdichten werden intensiv diskutiert, aber auch eine geringe Dichte kann gravierende Folgen haben: Denn das Gebäude, das im urbanen Gefüge nicht entstehen kann finden wir weit draußen im suburbanen Sprawl auf der grünen Wiese wieder. Dort zieht es zusätzliche Infrastruktur nach sich. Für die Schweiz wurde kürzlich ein Nachverdichtungspotenzial allein innerhalb bestehender Siedlungsräume für mehr als 1,5 Millionen Menschen (knapp + 20%) ermittelt. Wie können die zweifellos auch in Deutschland existierenden Flächenreserven aktiviert und die verschiedenen Nutzungen gewinnbringend gemischt und gestapelt werden?

Wertsteigerungen von Grundstücken gehen in der Regel nicht auf Leistungen der Eigentümer zurück. Sie sind das Ergebnis von gesamtgesellschaftlicher Prosperität und von Investitionen der öffentlichen Hand. Besonders deutlich wird das durch den Bau einer neuen U-Bahnlinie - oder eines Parks im Zuge der Untertunnelung einer innerstädtischen Schnellstraße. Wer profitiert, wenn die Grundstückspreise im Einzugsgebiet nach oben schnellen? Wem steht der Gewinn zu, der durch die Festlegung der Bodennutzung und die Investition der öffentlichen Hand verursacht wurde? Die derzeit zu beobachtenden Fehlentwicklungen widersprechen einer sozial gerechten Bodennutzung und führen zu einer neuen Qualität von Verdrängungsprozessen in den Städten.

Durch die aktuelle Bodenpreisentwicklung rücken die Auswirkungen der gegenwärtigen Bodenordnung mehr und mehr in das öffentliche Bewusstsein. Jedoch haben Mietpreisbremse oder andere bisherige Versuche einer Symptombekämpfung allenfalls marginale Auswirkungen. Ein grundsätzliches Umdenken im Umgang mit dem Boden scheint unumgänglich. Die Aktivitäten des Lehrstuhls wollen den Diskurs fördern und Anregungen in der Diskussion um eine Reform der Bodenpolitik sein.

Auf dieser Seite finden Sie Zusammenfassungen der bisherigen Veranstaltungen zum Thema, Infos zu zukünftigen Aktivitäten des Lehrstuhls sowie weiterführende Anregungen.
Kontakt: christian.bodensteiner@tum.de