Der Gasbehälter als Bautypus

Der Gasbehälter war im 19. und frühen 20. Jahrhundert ein technisches Bauwerk, das zur Speicherung von lokal produziertem Steinkohlengas für die Stadtbeleuchtung diente. 1813 wurde die öffentliche Gasbeleuchtung erstmals feierlich in London eingeführt und die Westminster Bridge erstrahlte als erster Abschnitt im Gaslicht. Ausgehend von London verbreitete sich diese Innovation in England und auch über die Landesgrenzen hinaus weltweit. Die englischen Gas-Ingenieure leisteten Pionierarbeit in der Gasindustrie und der Gasbehälter entwickelte sich im Laufe des 19. Jahrhunderts zu einem weit aufragenden Landmark.

Einerseits prägten diese aufragenden Eisenkonstruktionen das Stadtbild durch eine neue Art von Industriearchitektur, andrerseits symbolisierten sie auch einen besseren Lebensstandard für die Städte.

Das Aufkommen des Erdgases in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts begann der Niedergang der Gasindustrie und der städtischen Gaswerke. Heute finden die meisten, historischen Gasbehälter keine Verwendung mehr, stehen auf unzugänglichen Arealen und werden nach und nach abgerissen.

Die Zielsetzung des Forschungsvorhabens besteht darin, den historischen Gasbehälterbau und seine Entwicklung zu erforschen, um dessen einstige Bedeutung, Form und Konstruktion zu dokumentieren und damit einen wichtigen Bestandteil des ingenieurtechnischen und industriearchäologischen Erbes bewahren zu können.

Die Form des Gasbehälters entstand grundsätzlich durch seine Speicherfunktion. Zunächst wurden die Gasbehälter als Nassbehältnisse konstruiert– das Wasser übernahm den gasdichten Abschluss und verhinderte den Gasaustritt. Dieser sogenannte hydraulische Gasbehälter setzte sich einem Wasserbecken, einem Führungsgerüst und einem oder mehrere Hubteile zusammen und wurde ausgeführt als:

  • einhübiger bzw. Glockengasbehälter (mit nur einem Hubteil, das aufgrund seiner Form auch als Glocke bezeichnet wurde),
  • mehrhübiger bzw. Teleskopgasbehälter (mit mehreren Hubteilen).

Eine Sonderform war der Schraubengasbehälter, der aufgrund seiner spiral-geführten Hubteile kein feststehendes Gerüst benötigte. Jeder Bestandteil des Gasbehälters – Hubteil, Führungsgerüst und Wasserbecken – vollzog im Laufe des 19. Jahrhunderts eine umfangreiche Entwicklungsgeschichte, die durch die stets zunehmende Gasnachfrage, die voranschreitende Eisentechnologie und die Verdienste der englischen Gas-Ingenieure wesentlich beeinflusst wurde. Diese Entwicklungsstadien gilt es zu untersuchen.

Anfang des 20. Jahrhunderts folgte ein weiterer Meilenstein im Gasbehälterbau, der aus der Hand des deutschen Ingenieurs Konrad Jagschitz stammte. Er entwickelte einen geschlossenen Scheibengasbehälter, der weitaus größere Fassungsvermögen bereitstellen konnte. Dieser wurde aufgrund seiner wasserlosen Funktionsweise auch als Trockengasbehälter bezeichnet.

Der zweite Teil der Arbeit beleuchtet weniger die allgemeine Erfindung und Entwicklung des historischen Gasbehälters, als dessen Einführung und Verbreitung außerhalb Englands. Die Einführung des in einem Land, das die verschiedenen, hervorgebrachten Gasbehälterkonstruktionen adaptierte und Ausführungsvielfalt der historischen Gasbehälter außerhalb des Ursprungslandes England. Am Beispiel Italiens wird gezeigt am Beispiel Italiens, einem Land, dessen Ingenieurezeigt die Gegenüberstellung bedeutender Gasbehälter in Norditalien, darunter:

  • Die Teleskopgasbehälter (Firma Sam Cutler & Sons, London) in Turin, wo 1837 die erste italienische Gasbeleuchtungsgesellschaft „Compagnia di Illuminazione a Gas per la Città di Torino“ gegründet wurde. Die Gasbehälter wurden 1914 mit dem weltweit bekannten, triangulierten Verbandgerüst errichtet, das von dem englischen Eisenbauer Samuel Cutler aus London patentiert wurde.
  • Die einfachen Glockengasbehälter in Venedig und Florenz, die zwar beide nach französischem Patent um 1882 errichtet, aber nachträglich mit unterschiedlichen Systemen zu einem zweihübigen Gasbehälter erweitert wurden.
  • Der Teleskopgasbehälter in Trieste, der mit einem massiven Gasbehältergebäude 1901gebaut wurde und mit seiner gegliederten Fassade vielmehr ein sakrales Zentralbauwerk darstellt. • Der nach englischem Vorbild errichtete, vierhübige Schraubengasbehälter in Mailand, der 2002 nach einer Standzeit von knapp 50 Jahren wieder rückgebaut wurde.
  • Der erste Scheibengasbehälter Italiens, der 1930 in Bologna errichtet wurde nach den Plänen der Fa. MAN, Gustavsburg.

Die thematische Eingrenzung erfolgt

  • technikhistorisch/ zeitlich: vom Nassgasbehälter bis zum ersten Trockengasbehälter (19. und frühes 20. Jahrhundert),
  • konstruktionshistorisch: Glocken-, Teleskop- und Scheibengasbehälter,
  • innovationshistorisch: Gasbehälter für für die öffentliche Stadtbeleuchtung.

Zusammenfassend gliedert sich das Forschungsvorhaben in zwei Blöcke: 1. Entstehung und Entwicklung des Gasbehälters in England. 2. Einführung und Adaption des Gasbehälters in Italien.

 

Promotionsvorhaben
am Lehrstuhl für Tragwerksplanung und am Lehrstuhl für Baugeschichte, Historische Bauforschung und Denkmalpflege
Bearbeiterin: Barbara Berger