EXPERIMENTAL STRUCTURES

Die Entwicklung von parametrischen Werkzeugen für Architekten und Ingenieure hat bereits zu tiefgreifenden Veränderungen im Entwurfsprozess geführt. Die dadurch entstehende Freiheit in der Formgebung stellt neue Anforderungen an die tragende Konstruktion. Das Ziel des Kurses „EXPERIMENTAL STRUCTURES“ ist es, neue Möglichkeiten für eine intelligente Symbiose von Formgebung, Tragwirkung und Herstellung aufzuzeigen. Im Gegensatz zu üblichen Entwurfsprojekten werden den Studenten zu Beginn des Kurses keine Vorgaben hinsichtlich Bauplatz, Nutzung oder Funktion ihres Entwurfes gemacht. Die Aufgabenstellung besteht einzig darin, eine Tragstruktur zu entwickeln und mit einer Spannweite von ca. 2 x 2 m zu bauen.

T R A N S F O R M

„Wandelbare Tragwerke … ermöglichen eine reversible Veränderung der Form. Nach Abschluss der Formgebung erfolgt … die Fixierung des Systems und somit der Übergang vom Mechanismus zum Tragwerk.“ (Novacki) In Sommersemester 2015 lag der Fokus auf der Entwicklung wandelbaren Strukturen. Dabei wurden an die Studenten hohe Ansprüche gestellt, bezüglich der Beschreibung von Mechanismen und dem dafür notwendigen geometrischen, funktionalen und tragwerkstechnischen Verständnis. Die entstandene Vielfalt der Entwürfe ermöglicht einen inspirierenden Ausblick auf zukünftige architektonische Anwendungen. Dabei variiert der denkbare Maßstab vom Möbeldesign bis zur Stadionüberdachung.

VOM MODUL ZUM MECHANISMUS

Zu Beginn stand die ausführliche Recherche von bestehenden Mechanismen. Im Zuge dessen wurden unterschiedliche Versuchsgebiete festgelegt, wie z.B. Scherensysteme, Faltwerke, elastische Biegung, und Tensegrity. Als erster Entwurfsschritt wurden in experimentellen Modellversuchen Einzelmodule geschaffen. Die Vorgabe war, dass diese Module eine definierte Wandlung vollziehen können, begrenzt von einem Anfangs- und einem Endstadium. Im zweiten Schritt wurde durch die flächige Verknüpfung der Module ein Mechanismus entwickelt, der in seinem ausgefalteten Zustand fixiert werden kann. Die Wandelbarkeit der Gesamtstruktur ist direkt von Geometrie und Bewegung des Einzelmoduls abhängig.

VERBINDUNGEN UND TRAGVERHALTEN

Der Modul- und System-Entwicklung folgte eine Analyse der konstruktiven Verbindungen. Es wurde nach einfachen, kostengünstigen Lösungen gesucht, die auftretenden Beanspruchungen – Druck, Zug, Biegung, Querkraft und Torsion – innerhalb des Moduls und modulübergreifend zu übertragen. Die Abtragung des Eigengewichts bis in die Auflager wurde für jedes System nachverfolgt. Das so gewonnene Verständnis für die systemeigene Tragwirkung ermöglichte den Studenten eine gezielte Optimierung ihrer Geometrie.

LOW TECH – HIGH PRECISION

Die Realisierung des Tragsystems als eine ca. 2 x 2 m große Skulptur hatte von Anfang an einen großen Einfluss auf den Entwurfsprozess und die Detailentwicklung. So mussten sich die Studenten nicht nur mit der Darstellung ihres Entwurfs auseinandersetzen. Sie übernahmen die Verantwortung für eine ganzheitliche Planung inklusive Materialkosten und Beschaffung, Herstellung, Montage und Terminplan. Es wurde eine Minimierung der Baukosten durch die intelligente Anwendung von einfachen Verbindungsmitteln und Materialien angestrebt. Gleichzeitig ermöglichten die computergesteuerten Werkzeuge des Technischen Zentrums den Studenten eine präzise und effiziente Fertigung.

KONSTRUKTION UND DESIGN

Die so entstandenen Skulpturen eröffnen ein gestalterisches Spannungsfeld zwischen Einfachheit und Komplexität, Rhythmus und Varianz, Konstruktion und Design.