Dreckige Laken – Die Kehrseite der ›Grand Tour‹
Nächtliche Gesänge in Siena, unerträglicher Lärm in der Hafenstadt Genua, polizeiwidriges Schreien in Mailand, nicht endendes Glockengebimmel in Florenz – wie soll der empfindsame Reisende da seinen Italienaufenthalt genießen?
Die Wege nach und in Italien waren im 18. und 19. Jahrhundert von unzähligen englischen, französischen und deutschen Reisenden dermaßen ausgetreten, dass es schwerfiel, das authentische Italien vor Ort überhaupt noch aufzufinden. Eine Fülle von Reiseberichten sorgte dafür, dass der Grand Tourist nicht nur mit beträchtlichem Vorwissen in den Süden kam, sondern auch mit einer gehörigen Portion Vorurteil. Wie sollte man mit den fremden Essgewohnheiten umgehen, wie schützte man sich in den Herbergen vor Ungeziefer und überhaupt vor der mangelnden Hygiene? Die Touristen suchten die antike Größe Italiens, während sie zur Gegenwart vornehm auf Distanz gingen (den meisten wäre ein Italien ohne Italiener lieber gewesen). Und dann erst Griechenland: Die Bewohner, so der entsetzte Fürst von Pückler -Muskau, könnten weder lesen noch schreiben und hätten von Platon und Aristoteles nie etwas gehört. Wie kam es, dass das tatsächliche Erlebnis des Südens nicht den erlesenen Erwartungen entsprach? Gehörten Beschwerden zum guten Ton? Und wer liest diese Zeilen (und dieses Buch), ohne die heutige Situation zu bedenken?
Joseph Imorde und Erik Wegerhoff (Hg.)
Wagenbach Verlag, Berlin 2012
208 Seiten, broschiert
ISBN 978-3-8031-2680-1