Was uns an Jan Gezelius am meisten erstaunt, berührt und für ihn eingenommen hat, war seine große Leidenschaft für das Kleine - mit welcher Zuneigung, ja Hingabe er dem Unscheinbaren, Alltäglichen, Selbstverständlichem alle Aufmerksamkeit widmete. Welcher Architekt seiner Meisterschaft hätte sich zeitlebens gern mit Projekten befasst, die man nicht anders als bescheiden bezeichnen kann, mit Post-, Fischer- und Austragshäuschen, mit Schrebergärten oder einem Zugvogelmuseum.
Alles Eindimensionale, die strenge Regel und die gültige Norm waren ihm ein Gräuel, die falschen Vorbilder, die nicht inspirieren, sondern alles eigenständige Denken und Fühlen planieren: “Es dauert, bis man wieder naiv sieht“, schrieb er, „als Lehrer habe ich mir oft gewünscht, es gäbe einen Regenschirm für die Studenten gegen das Niederprasseln all dieser Vorbilder aus den Architekturzeitschriften.“
Seine Studenten und Kollegen haben berichtet, dass es bei der Arbeit mit ihm, ob an der Uni oder im Büro, immer sehr offen, partnerschaftlich und familiär zuging; dass auch immer Zeit blieb, nicht nur um miteinander zu diskutieren, zu beraten, zu planen, sondern auch um zu kochen, zu essen und zu feiern. Immer ging es dabei um Architektur, aber selten ging es nur um Architektur, sondern auch um Geschichte und Wirtschaft, Recht und Religion, Kunst und Literatur, Land und Leute - und Jan Gezelius war Erzähler, Reiseführer, Spiritus rector, alles in einer Person.
Die Vorsicht und Behutsamkeit, mit denen er seinen Schülern ebenso wie seinen Projekten und Auftraggebern begegnete, spiegelt sich vielleicht am besten in einer Anekdote, die er uns vor fast 20 Jahren erzählte, als ihm 1997 die Ehrendoktorwürde der TU München verliehen wurde.
Man hatte einer Fischerfamilie in Böda auf der Insel Öland ein Grundstück zugeteilt, das so schön war, dass sie nicht wussten, wie sie es bebauen sollten. Man muss das zweimal lesen: sie sagten nicht, der Platz ist so klein oder so groß oder so schmal oder so eng, dass wir nicht weiterwissen. Nein, sie fanden ihn einfach so schön, dass sie Angst hatten, ihn kaputt zu machen. Und Gezelius kam, wohnte bei ihnen, fuhr in der Früh mit zum Fischen hinaus, unendlich viel Zeit, Geduld und Energie wurde aufgebracht, um aus einer schönen Sache keine schlechte zu machen. Das Haus ist außen dann ganz grob geworden, grau verschalt, mit ein paar Erkern und zarten Details an den Fenstern, innen hell und heiter und so farbenfroh, wie die Fischer sonst ihre Boote bemalen.
„Überleben wird allein das Verletzliche“, sagt der französische Dichter Paul Valery. Daran erinnern die die kleinen schwedischen Holzhäuser des Jan Gezelius, sie sind Ausdruck seines Credos einer organischen Architektur, die alles sieht und einbezieht, den Menschen, die Natur und die Technik: „Der Landschaft die Landschaft erklären, indem man sie bebaut.“
Am 5.September, wenige Tage vor seinem 93.Geburtstag, ist Jan Gezelius in Stockholm gestorben.