Wie stark wirken sich Bauen und Wohnen auf die Umwelt aus?
Werner Lang: Das Bauwesen ist verantwortlich für rund 40 Prozent des CO2-Ausstoßes und des Energieverbrauchs und für weit mehr als die Hälfte des Abfallaufkommens. Energieverbrauch und vor allem Materialverbrauch sind im Bauwesen enorm. Wir müssen mit diesen Ressourcen effizienter umgehen.
Wo gibt es Stellschrauben, um die Umweltbelastung zu verringern?
Lang: Da ist zunächst die Energieeffizienz: Gebäude sollten so gebaut werden, dass der Bedarf an fossilen Energien möglichst gering ist. Allerdings spielen andere Aspekte bei der Nachhaltigkeit eine noch entscheidendere Rolle. Zum Beispiel, wie sich ein bestimmter Baustoff oder ein bestimmter Bauprozess auf die Umwelt auswirkt. Ökologisches Bauen bedeutet, dass wir das ökologische Gleichgewicht möglichst wenig gefährden.
Warum hat ein Bauprozess mehr Auswirkungen auf die Umwelt als die Energieeffizienz?
Lang: Nehmen Sie zum Beispiel ein Passivhaus. Der Energieverbrauch für den Betrieb beträgt 15 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr. Das ist relativ wenig. Gebäude aus den 70er-Jahren verbrauchen um die 250 bis 300 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr. Aber beim Passivhaus ist der Energiebedarf bei der Errichtung höher als bei herkömmlichen Gebäuden. Es ist mehr Wärmedämmung nötig, die Gebäudetechnik ist aufwändiger. Wir verbauen mehr Materialien, und es drängt sich schnell die Frage auf: Wo ist der Punkt, an dem ich mehr Energie in die Erstellung investieren muss als ich während des Betriebs wieder einspare. Es macht daher Sinn, zu überlegen, wie das Gebäude über seine Lebensdauer möglichst viel Energie selber produzieren könnte, über Photovoltaik zum Beispiel. Wenn das gelingt, hinterlassen Gebäude einen positiven ökologischen Fußabdruck.
Beim US-Wettbewerb "Solar Decathlon" haben Studierende Ihres Lehrstuhls so ein Haus gebaut.
Lang: Vor zwei Jahren haben die Studierenden für den Wettbewerb gemeinsam mit der University of Texas ein Konzept für ein solches Haus erarbeitet. Sie haben ein Gebäude geplant, dass sich selbst und auch ein Elektroauto mit Energie versorgt, das hochflexibel ist und sogar eine Nachverdichtung unserer Städte erlaubt. Wir wollten zusätzlich noch zeigen, dass auf dem Grundstück geschlossene Wasserkreisläufe erzeugt und Nahrung angebaut werden kann. Das war allerdings für die kurze Bearbeitungszeit etwas zu ehrgeizig. Mit dem NexusHaus hat das Team den vierten Platz gewonnen, das ist ein toller Erfolg.
Glauben Sie, dass sich nachhaltiges Bauen durchsetzen wird? Werden wir in 50 Jahren alle in Superplusenergiehäusern leben können?
Lang: Die Folgen des Klimawandels fordern bereits heute in den Küstenregionen und anderorts tausende von Leben und sorgen in Zentraleuropa für Extremwettereignisse, die hohe wirtschaftliche Schäden anrichten. Ich glaube, wir können es uns gar nicht leisten, nicht nachhaltig zu bauen. Wir können gar nicht anders, als dazu beizutragen, dass unser Klima stabilisiert wird. Gleichzeitig müssen wir intensiv nach Maßnahmen suchen, um dem voranschreitenden Klimawandel entsprechend zu begegnen. Zum Beispiel, um den Stadtraum behaglich zu halten, obwohl die heißen, trockenen Sommer zunehmen werden. Wir müssen letztendlich Themen wie Energieeffizienz, aber eben auch Klimawandelanpassung sehr ernst nehmen und heute handeln. Dieses Ziel verfolgt auch das Zentrum Stadtnatur und Klimaanpassung an der TUM. Es hat die Aufgabe, Leitfäden zu entwickeln, die dann die Stadtplanungsämter dazu befähigen, die richtigen Entscheidungen für morgen zu treffen.
Welche Idee steht hinter dem Zentrum Stadtnatur und Klimaanpassung?
Lang: Spätestens seit dem Extremsommer 2003, aber auch den Folgesommern wurde klar, dass sich die Folgen des Klimawandels immer deutlicher zeigen. Das Thema Energieeffizienz und damit die Verringerung des CO2-Ausstoßes rückte noch mehr in den Fokus, es wurde über Wärmedämmstärken und über die richtige Baugesetzgebung, die richtige Normung und so weiter diskutiert. Dabei hat man aber völlig ignoriert, dass sich die Anforderungen an Gebäude durch den Klimawandel verändern. Ich entwerfe und baue also ein Gebäude und übersehe dabei völlig, dass dieses Gebäude 60 Jahre steht. Ich habe mir Fragen gestellt wie: Dämmen wir womöglich schon zu viel? Steigt nicht unter Umständen der Kühlenergiebedarf in den nächsten Jahren? Das heißt, das was ich mir im Winter an Wärmeenergie einspare, verpulvere ich im Sommer, weil mein Gebäude so gut gedämmt ist, dass ich die Wärme aus dem Haus gar nicht mehr abführen kann. Da war für mich klar, dass wir Forschung brauchen, um zu sehen, wie sich das Klima entwickelt und wie wir darauf reagieren. Passend zu diesen Überlegungen hat das Bayerische Umweltministerium eine Anfrage an die TU München gestellt. Das Anliegen war, einen gesamtheitlicheren Ansatz zum Klimawandel zu verfolgen. Mir war klar, dass wir im Gebäudesektor das nicht alleine können. Ich habe mit Prof. Stephan Pauleit in Bezug auf die Themen Stadtökologie und grüne Infrastruktur darüber gesprochen und wir kamen auf die Idee, dieses Zentrum mit dem Umweltministerium zusammen zu gründen. Mittlerweile haben wir dort aktuell fünf Forschungsprojekte. Ziel des Zentrums ist es, Synergieeffekte zwischen den Projekten zu nutzen und nicht isolierte Einzelforschung zu betreiben.
(Der Beitrag entstammt aus der Pressemeldung der TU München. Interview und Redaktion: Stefanie Reiffert)