Terrakotta-Krieger

Restauratoren geben Terrakotta-Armee ihre Farben zurück. Ein BMBF-Projekt zum Erhalt von Kulturgütern in China am Lehrstuhl für Restaurierung, Kunsttechnologie und Konservierungswissenschaft (Prof. Erwin Emmerling).

Fotos: Catharina Blänsdorf/Lehrstuhl für Restaurierung, Kunsttechnologie und Konservierungswissenschaft


Sie trugen farbgewaltige Gewänder mit komplizierten Mustern und bunten Schleifen, einer von ihnen schminkte sogar sein Gesicht grün: Jede Figur der berühmten Terrakotta-Armee ist in ihren Gesichtszügen, Frisur, Kleidung und Statur individuell und täuschend echt dargestellt. Eine unvorstellbar aufwändige und in dieser Qualität bisher beispiellose künstlerische Arbeit. Restauratoren von der Technischen Universität München (TUM) haben in jahrelanger Detailarbeit die Bemalung der Krieger entschlüsselt, rekonstruiert und nach Wegen gesucht, sie zu erhalten.

Generäle, Bogenschützen, Infanteristen, Offiziere, Wagenlenker: Sie alle stehen oder knien lebensgroß in der Grabanlage des ersten Kaisers von China, Qin Shihuangdi. Aus 7300 Figuren, so schätzen Experten, besteht die berühmte Terrakotta-Armee. Entdeckt wurde sie 1974 und gehört mittlerweile zum UNESCO-Weltkulturerbe. Wie groß die Grabanlage des ersten Kaisers wirklich ist, die im 3. Jahrhundert vor Christus errichtet wurde, weiß niemand. Bisher wurden ungefähr 200 Beigabengruben auf einer etwa 50 Quadratkilometer großen Fläche um den mächtigen Grabhügel entdeckt. In drei dieser Gruben versammeln sich die Krieger.

Catharina Blänsdorf vom Lehrstuhl für Restaurierung, Kunsttechnologie und Konservierungswissenschaft der TUM hat sich über zehn Jahre mit der Analyse und dem Erhalt der Farbfassung beschäftigt. Die Forschungsarbeiten waren ein Teilprojekt einer 25-jährigen Zusammenarbeit mit der chinesischen Provinz Shaanxi.  

Aufwändige Detektivarbeit 
Der grau-braune Eindruck, den die Figuren im Terrakotta-Museum machen, das an der Original-Fundstelle errichtet wurde, täuscht. Schillernd bunt waren die beeindruckenden Krieger, hatten nachgebildete Pferde und Wagen und waren sogar mit echten Waffen ausgestattet. Werden die Figuren aber bei den Ausgrabungen der feuchten Erde entnommen, löst sich die Grundierung – und die Krieger verlieren ihre Farbe.

Geheimnisvolle Muster
Die Kleidung bestand aus Gewand, Untergewand,  Hose und Schienbeinschutz. Alle diese Elemente waren unterschiedlich gefärbt und bei bestimmten Figuren waren die Panzer mit Mustern versehen, wie Blänsdorf herausfand. Die aufwändigen Ornamente geben den Wissenschaftlern zum Teil immer noch Rätsel auf. "Sie lassen sich grob in geometrische Formen, wie etwa Rauten, Sterne oder Blüten und zoomorphe Formen wie Vögel, Drachen und Phönix unterteilen", erklärt die Restauratorin.

Uniformen existierten in der Armee nicht. Der Rang wurde durch die Kopfbedeckung und die Panzer gekennzeichnet. Die Generäle etwa trugen eine Kappe, die mit Fasanenfedern geschmückt war. Ihre Panzer besaßen kompliziert verschnürte Platten, Besätze mit Mustern und Seidenstoffe auf Brust und Rücken. Bei den Wagenoffizieren bedeckt der schürzenartige Panzer nur den Bauch und ist auf dem Rücken mit überkreuzenden Bändern befestigt. Diese waren in zwei Streifen geteilt, von denen vorderseitig der eine den Panzer säumt, der andere den Halsausschnitt. Sie trugen Kappen mit einem eckigen, abgewinkelten Streifen auf dem Kopf.

Faszinierende Detailgenauigkeit
Jede der Figuren ist einzigartig. So besitzen manche Generäle einen kleinen Wohlstandsbauch, aber auch unter den Infanteristen befinden sich stämmige Männer. Es ist den Künstlern gelungen, die Gesichtszüge so realistisch nachzubilden, dass sich verschiedene Lebensalter darin abzeichnen. Einer der knienden Bogenschützen hat als Alleinstellungsmerkmal sogar ein grün geschminktes Gesicht.

Catharina Blänsdorf war immer wieder fasziniert von der Detailgenauigkeit der künstlerischen Darstellung. So erzeugten die Maler mithilfe der Pinsel Strukturen, die sich vom Hintergrund plastisch abheben. Auf diese Weise bildeten sie zum Beispiel Federn nach. "Auch Augenbrauen und Schnurrbärte sind auf diese Weise realistisch dargestellt", sagt sie.

Farbfassung von 55 Figuren rekonstruiert
Blau, Grün, Rot, Violett, Rosa und Weiß sind die am häufigsten verwendeten Farben für die Bemalung der Figuren, wie die Forscher herausfanden. Schwarz und Ocker sind seltener. Für die Farben wurden anorganische Pigmente verwendet: Malachit, Azurit, Zinnober, rote und gelbe Eisenoxide, Bleiweiß und Beinschwarz. Unter den verwendeten Farben ist auch Han Purple. Dieses wurde in der chinesischen Antike mit einem technisch sehr ausgefeilten Verfahren hergestellt. Erst 1983 wurde Han Purple wiederentdeckt und seine chemische Struktur aufgeklärt, das genaue Herstellungsverfahren ist aber bis heute nicht bekannt.

In jahrelanger "Detektivarbeit" ist es Blänsdorf gelungen, die ursprüngliche Bemalung von insgesamt 55 Figuren zu rekonstruieren. Neben zahlreichen Zeichnungen und virtuellen Nachbildungen entstanden auch plastische Modelle der Figuren. Ein kniender Bogenschütze und ein General aus Gips stehen in Originalgröße und mit der Bemalung, wie sie ursprünglich gewesen sein könnte, im Münchner Museum für Abgüsse Klassischer Bildwerke. Blänsdorf hat auch bei einer Gruppe von 18 knienden Bogenschützen die ursprüngliche Bemalung rekonstruiert. Diese Figuren wurden allerdings in kleineren Maßstab (etwa 1 zu 5) gefertigt. Sie bestehen aus Terrakotta und sind ungefähr 23 Zentimeter hoch.

Ihre Forschungsergebnisse hat Blänsdorf in ihrer Dissertation zusammengefasst, mit der sie 2013 an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart promoviert wurde; die Veröffentlichung ist für Juni 2015 geplant.

Verdunstung verhindern
Immer noch werden neue Figuren der Terrakotta-Armee entdeckt und ausgegraben. Mittlerweile können die Farbfassungen allerdings besser erhalten werden. Das Problem: Die Figuren wurden damals zunächst mit ostasiatischem Lack, auch qi-Lack genannt, überzogen. Auf diese Beschichtung trugen die Künstler die Farbschichten auf. Als Bindemittel wurde Ei benutzt. Werden die Figuren nun aber aus der feuchten Erde genommen, verdunstet das Wasser aus dem Lack. Dieser schrumpft und die Farbe blättert ab.

Um dies zu verhindern, kann Polyethylenglycol (PEG) mit Kompressen auf die Figuren aufgetragen werden. Dabei wird PEG gegen den größten Teil des Wassers im Lack ausgetauscht. Der Nachteil dieser Methode: Die Figuren wirken dunkler als im Original. Auch können bei dieser Behandlung noch Risse im Lack auftreten, wenn das Wasser schneller verdunstet als das Lösungsmittel aufgetragen wird. Eine bessere Konservierung der Farben, aber auch die Erhaltung der bereits ausgestellten Figuren sind Herausforderungen, die noch vor den chinesischen Denkmalschützern liegen.

25 Jahre Zusammenarbeit
Die Terrakotta-Armee ist nur ein Beispiel für die Vielzahl der archäologischen Schätze, die im Land der Mitte unter der Erde verborgen sind. "In der Volksrepublik China werden seit Jahren täglich hunderte von archäologischen Ausgrabungen durchgeführt", erklärt Prof. Erwin Emmerling, Inhaber des Lehrstuhls für Restaurierung, Kunsttechnologie und Konservierungswissenschaft. "Der Veränderungsdruck durch die rasant wachsenden Städte und die großen Infrastrukturmaßnahmen ist so gewaltig, dass die staatlichen Denkmalbehörden nur mit Mühe die zahllosen Funde bergen und deponieren können." 

Bereits 1988 schlossen das Bundesministerium für Forschung und Technologie (heute: Bundesministerium für Bildung und Forschung) und die chinesische Kommission für Wissenschaft und Technik eine Vereinbarung über eine Zusammenarbeit. Auf diese Vereinbarung geht das BMBF-Forschungsprojekt zum Erhalt von Kulturgütern zurück. Das letzte Nachfolgeprojekt endete 2014. An der Kooperation sind mehrere chinesische und deutsche Institutionen beteiligt. Ziel ist der wissenschaftliche Austausch, die Weiterentwicklung und die Erprobung von Konservierungsverfahren für Kulturgüter der Provinz Shaanxi und seit 2006 auch der Provinz Sichuan.

Der Lehrstuhl für Restaurierung, Kunsttechnologie und Konservierungswissenschaft der TUM hatte die Gelegenheit an zahlreichen Ausgrabungen und Restaurierungsarbeiten mitzuwirken. Weitere Forschungsprojekte erfolgten unter anderem an buddhistischen Tempelanlagen (8. und 16. Jahrhundert) aber auch an Wandmalereien jüngerer Epochen (19. Jahrhundert).


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