Moderne Gebäude werden für eine Nutzungsdauer von rund 50 Jahren ausgelegt. In historischen Dimensionen ist das gerade einmal ein Wimpernschlag. Eine archäologische Stätte wie Pompeji soll dagegen nach Möglichkeit für immer der Nachwelt erhalten bleiben. Das an Ort und Stelle mit möglichst einfachen Materialien zu erreichen, ist eine riesige Herausforderung für die Wissenschaft. Mit dem „Pompeii Sustainable Preservation Project“ wollen Forscher der Technischen Universität München (TUM), der Fraunhofer Gesellschaft und des ICCROM in den nächsten zehn Jahren herausfinden, wie sich das Weltkulturerbe Pompeji dauerhaft vor dem Zerfall bewahren lässt.
Vor fast zweitausend Jahren wurde Pompeji durch den Ausbruch des nahe gelegenen Vulkans Vesuv unter Gestein- und Lavamassen begraben. Der Ausbruch im Jahr 79 nach Christus hat die antike Stadt im Wortsinn erstarren lassen und so für Jahrhunderte konserviert. Größere Ausgrabungen begannen erst im 18. Jahrhundert und legten Pompeji mit all dem eingeschlossenen Wissen über die damaligen Lebensverhältnisse wieder Stück für Stück frei.
Als eine der größten zusammenhängenden Städte der Antike ist Pompeji eine Sensation. Jede Ausgrabung bringt neue Erkenntnisse und wird von der Forschungsgemeinschaft wie von der Öffentlichkeit viel beachtet. Was anschließend weniger Beachtung findet, ist die Konservierung der Ausgrabung und die langfristige Erhaltung dieser einzigartigen Stätte für die Nachwelt.
Zwar wurden in der Vergangenheit viele Funde, darunter vor allem Fresko-Malereien, in Museen gebracht und so vor Wind und Wetter geschützt. Doch die freigelegten Gemäuer und deren umfangreiche Verzierungen wurden nicht ausreichend konserviert und verfallen zusehends.
Pompeji als Zentrum für Spitzenforschung
Die Forscher des Pompeii Sustainable Preservation Project wollen sich ab 2014 einen Häuserblock in Pompeji, eine so genannte Insula, als Forschungsobjekt vornehmen und komplett konservieren, vom aufwändigen Wandgemälde bis zur kleinsten erhaltenen Mauer. „Das fängt mit der Entwässerung an und hört bei neu gestalteten Schutzbauten noch lange nicht aus“, sagt Erwin Emmerling, Professor am Lehrstuhl für Restaurierung der TU München.
Ein neuer wichtiger Ansatz dabei ist die präventive Restaurierung. „Die gibt es bisher in angemessener Form noch nicht. Wir wollen herausfinden, wie geht das eigentlich, das kontinuierliche Restaurieren“, sagt Emmerling. Außerdem soll mit einfachen, klassischen Materialien gearbeitet werden. Große Hilfsmittel wie Kräne können die Forscher in den engen Gassen von Pompeji ohnehin nicht einsetzen.
Beton kommt als Baustoff kaum infrage, weil er damals nicht eingesetzt wurde. Für die Restaurierung sollen Kalk und andere traditionelle Materialien zum Einsatz kommen.
Hightech für antike Monumente
Dennoch setzen die Forscher auch auf Hightech. So wollen sie Nanotechnologien einsetzen, um die Fließfähigkeit des Kalks zu steigern und damit Fresken durch Hinterfüllung zu stabilisieren. Die oberste Farbhaut der Bilder wollen die Wissenschaftler mit Kalk- und Siliziumverbindungen konservieren.
Neben den Restauratoren und Archäologen werden auch zahlreiche Forscher anderer Disziplinen am Pompeii Sustainable Preservation Project mitarbeiten. Denn die antike Stadt soll genau vermessen und ihr Zustand auch mit Luftbildern festgehalten werden. Seismische Messungen sollen Aufschluss über künftige Belastungen des Monuments geben, damit die konservierten Bauteile diese Erschütterungen später aushalten. Dafür werden auch Bauingenieure und Statiker gebraucht.
Nicht zuletzt sollen geeignete Flächen von Pompeji wieder begrünt werden und das Projekt insgesamt als Ausbildungsstätte für Konservatoren aus aller Welt dienen.
Die zentralen Projektpartner des Pompeii Sustainable Preservation Project sind die Technische Universität München mit dem Lehrstuhl für Restaurierung, Kunsttechnologie und Konservierungswissenschaft, die Fraunhofer-Gesellschaft mit dem Fraunhofer IBP und das an die UNESCO angeschlossene International Center for the Study of the Preservation and Restoration of Cultural Property (ICCROM). Diese Institutionen arbeiten in dem Projekt federführend mit der Soprintendenza Speciale per i Beni Archeologici di Napoli e Pompei und dem zum italienischen Kulturministerium gehörigen Istituto Superiore per la Conservazione ed il Restauro zusammen. Die School of Geography and the Environment der Universität Oxford, die Abteilung für Alte Geschichte des Historicums der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU München) sowie das Deutsche Archäologische Institut (DAI) in Rom, die Universität Pisa und das Istituto per i Beni Archeologici e Monumentali des Consiglio Nazionale delle Ricerche (CNR) unterstützen das Vorhaben als Forschungspartner.