Im Gedenken an Nora Lau

Wir gedenken unserer Kollegin Nora Lau, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Entwerfen und Gestalten.


Nora Lau
16.10.1980 – 03.08.2015

„Die Architektur erforscht den Raum, der real wahrgenommen, aber ideal dargestellt wird. Akustische, visuelle und bewegungsorientierte Raumwahrnehmungen und ihre schriftliche Vergegenwärtigung können zu einer veränderten Ich-Präsenz und einer wirklichkeitsverwandelnden Sicht auf die Mitwelt führen. Es entsteht dabei eine Sprache, die nicht nur im Verstehen und Mitteilen aufgeht, sondern sich jenseits von Kommunikationsbemühungen in ihrem 'ästhetischen' Ausdruck entfaltet. Sprache wird zum Instrument, um Wahrnehmungsdifferenzen zu formulieren; sie kann aber auch in ihrer Materialität Verschiebungen und Verdichtungen hervorbringen, die einen nicht vorhersagbaren Sinnausdruck entstehen lassen.“

Nora Lau arbeitete an der Schnittstelle von Architektur und Sprache. Ihr Interesse galt literarischen Beschreibungen architektonischer Räume des Übergangs und dem Ritus ihres Gebrauchs. Durch ihre sensible Wahrnehmungsfähigkeit und ihr ausgeprägtes Sprachvermögen war sie für dieses Thema prädestiniert. Als praktizierende und lehrende Architektin las Nora Lau viel, recherchierte gerne und schrieb mit Leichtigkeit. Ihre Suche galt den kulturellen, typologischen und strukturellen, räumlichen und atmosphärischen Unterschieden von Orten und Räumen in der Literatur. Ihr Untersuchungsmaterial waren dabei Texte im Sinne „geschriebener Transformationen des Hörens, des Sehens, des Gehens, sich Bewegens, Empfindens und Denkens.“ Neben ihrer wissenschaftlichen Arbeit schieb Nora Lau literarische Essays. „Die Türklinke, Der Dachgarten, Das Labyrinth, Casa Vecchia, Die Kapelle, Civitacampomarano, Der Kamin und Treppe rückwärts “ sind einige Titel von Texten, an denen sie in den letzten Wochen parallel schrieb. Nora Lau sprach mehrere Sprachen fließend, zeichnete gerne und fein und hatte ein ausgeprägtes Gespür für Farben, das sie in ihren eigenen Bildern, aber auch in einem Vortrag zur Farbe in der Architektur zum Ausdruck brachte.

Nora Lau studierte Architektur an der Universität der Künste in Berlin und als Erasmusstudentin ein Jahr am Politecnico di Milano. Bereits während ihres Studiums arbeitete sie in Mailand und war dort, im Anschluss an ihr Diplom 2007 zur „Cittadella Milano“ an der UdK Berlin, sieben Jahre als Architektin tätig. Im Herbst 2014 kam sie nach München an unsere Fakultät für Architektur, mit dem ausgeprägten Wunsch, sich in der Lehre einzubringen und um an ihrer Dissertation zu arbeiten.

Ende März wurde bei ihr Krebs diagnostiziert. Die Krankheit zehrte an ihr und ihr Zustand verschlechterte sich rapide. Mit Mühe schaffte sie Ende Juli den Krankentransport nach Berlin zu ihrer Familie. Stets klar und voller Zuversicht schrieb sie drei Tage vor ihrem Tod, dass der Lehrstuhl der Ort sei, an den sie unbedingt wieder zurückkehren wolle und dass ihr Mut ungebrochen sei. Dass diese kluge und begabte, zurückhaltende und humorvolle Frau nicht mehr zurückkehren wird, ist ein schwerer schmerzlicher Verlust. Ihre besondere Fähigkeit zuzuhören, ihre bescheidene und doch klare Haltung, ihre ernsthafte Art und ihr feiner Humor, ihr ausgeprägter Sinn für Schönes und ihre tiefsinnige Leichtigkeit vermissen wir am Lehrstuhl sehr. Nach kurzer, schwerer Krankheit starb Nora Lau am 3. August 2015.

Uta Graff