Seminararbeiten kosten viel Zeit und Nerven, um dann doch nur in der Schublade zu verstauben? Von wegen: Bei den damaligen Architektur-Studierenden der TUM, Lisbeth Fischbacher und Daniel Hoheneder, krempelte eine Seminararbeit das gesamte Leben um. „Üblicherweise war Prof. Gerhard Hausladen – eine weltweite Koryphäe im Bereich Gebäude-Energietechnik – bei der Besprechung von Seminararbeiten sehr diskussionsfreudig“, erinnert sich Hoheneder. „Bei uns allerdings kam keinerlei Kommentar. Stille. Das konnte zweierlei heißen: Entweder erzählen wir gerade kompletten Quatsch, oder unsere Idee ist super.“ Die Idee kam nicht nur gut an, sondern war auch neu. Sie löst ein bekanntes Problem: Balkone kleben wie Kühlrippen an Häuserblöcken und leiten behagliche Wärme nach draußen. Zudem ist dieser Teil des Wohnraums bei Kälte kaum nutzbar. Im Sommer dagegen möchte kaum jemand auf seinen Balkon verzichten. „Wir haben eine bewegliche Primärhülle entwickelt“, erläutert Hoheneders Firmenpartnerin Fischbacher, „also eine Fassade, die man ganz nach Belieben verschieben kann.“
Schiebetür verwandelt Balkon in Wohnfläche
Im Wesentlichen handelt es sich um eine Fensterfront, die man im Winter an die Außenseite des Balkons schieben kann. Man vergrößert seinen Wohnraum, merzt die „Kühlrippen-Wirkung“ aus und nutzt die Sonnenstrahlung, die den Raum erwärmt und somit weitere Energie einspart. Während der Heizperiode werden die solaren Zugewinne um bis zu 300 Prozent gesteigert. Locken dagegen warme Temperaturen ins Freie, kann man die Fensterfront mit wenigen Handgriffen verschieben und den Balkon wieder Balkon sein lassen. Vom Prinzip her ähnelt das Konzept einer Schiebetür, die man allerdings nicht nur zur Seite, sondern auch um die Kurve bewegen kann. Dies wird über eine U-förmige Schiene realisiert. Der Bewegungsradius der Elemente ist minimal – Tisch, Couch und Co. können an ihrem Platz bleiben, wenn die Türen verschoben werden. Wie gut die Idee ist, zeigt sich auch in den Preisen, die die beiden flissade-Gründer erhalten haben: Den Innovationspreis Bayern 2016, den Münchner Gründerpreis 2017 sowie den Bayerischen Gründerpreis 2017.
Startschuß in die Unterenehmensgründung
Auf dem immer wieder mal holprigen Weg von der Idee zum Start-up bot die TUM den beiden Studierenden zahlreiche Hilfen. Sie wurden unter anderem von Prof. Fritz Frenkler unterstützt, der den Lehrstuhl Industrial Design leitet. „Eine große Hilfe war auch unser ‘Seminararbeits-Vater’ Prof. Hausladen, der eine Art Mentorfunktion übernommen und uns beim Aufbau eines Netzwerks geholfen hat“, sagt Hoheneder. Die Zeitplanung hätte kaum besser sein können: 2011 schlossen Fischbacher und Hoheneder ihr Studium ab – Fischbacher sogar als Jahrgangsbeste. Just zur gleichen Zeit konnten sie eine zweite Flasche Sekt aufmachen: Das Patent wurde erteilt, und somit fiel der Startschuss für die Firma. „Jetzt war klar: Es geht auf jeden Fall weiter“, erinnert sich Fischbacher. Nun hieß es: Die Gründung der flissade GmbH vorbereiten, Fördergelder einwerben, Industriepartner gewinnen. Bei der TUM Gründungsberatung erhielt das Team Unterstützung bei der Beantragung von Förderprogrammen. Fischbacher und Hoheneder ergatterten das EXIST-Gründerstipendium des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie und nahmen am Programm „Climate-KIC Accelerator“ von UnternehmerTUM sowie dem FLÜGGE-Programm des Freistaates Bayern teil.
Start der Pilotphase
Testläufe in punkto Dichtungseigenschaften, die 2015 durchgeführt wurden, versprachen ebenfalls Erfolg: Der Prototyp erreichte hervorragende Ergebnisse und übertraf die Erwartungen bei Weitem. „Wir haben es tatsächlich geschafft, allerhöchste Performancewerte zu erreichen“, freut sich Hoheneder. Mittlerweile, vier Jahre nach der Gründung, ist der umfangreiche Prozess der Produktentwicklung abgeschlossen, es geht es in die Pilotphase. Eine Erfolgsgeschichte rundum also. Oder? Gab es auch Stolpersteine? „Schwierige Phasen gibt es immer. Aber das Ganze hinzuschmeißen stand für uns nie zur Debatte – dafür sind wir von Anfang an viel zu hoch eingestiegen“, sind sich die Gründer einig.
Förderung im Entrepreurship Center
TUM und UnternehmerTUM unterstützen Ausgründungen im Entrepreneurship Center in Garching mit einem in Europa einzigartigen Angebot – von der ersten Idee bis zum Börsengang. Hier finden Start-up-Teams umfangreiche Förderangebote, persönlichen Austausch mit Entrepreneurship-Forschern und -Forscherinnen sowie Zugang zu einem starken Netzwerk aus Technologie- und Branchenexperten und Investoren. Büroräume und Europas größte öffentlich zugängliche High-Tech-Prototypenwerkstatt – der UnternehmerTUM MakerSpace – machen das Angebot für Gründer komplett. Laut dem „Gründungsradar“ des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft fördert keine andere große deutsche Hochschule Firmengründungen besser als die TUM. Jedes Jahr gehen rund 70 Unternehmen aus der Universität hervor.
Die Meldung entstammt der Pressemitteilung der TU München (Redaktion: S. Reiffert).