Eine Handwerksschule für Nairobi

Ein Bautagebuch berichtet über das Entwurfs- und Bauprojekt von Architekturstudenten der TUM am Fachgebiet Holzbau zum Bau einer Handwerksschule in der Nähe von Nairobi in Kenia

 

Von Anfang August bis Ende September 2011 arbeitete eine Gruppe von 23 Architekturstudenten der Technischen Universität München (TUM) unter Leitung von Susanne Gampfer und Stefan Krötsch vom Fachgebiet Holzbau (Prof. Kaufmann) zusammen mit etwa 20 Studenten der Jomo Kenyatta University of Agriculture and Technology (JKUAT) und etwa 15 lokalen Arbeitern am Bau einer Handwerksschule in der Nähe von Nairobi in Kenia.

Die Entwurfsplanung der Schule erfolgte durch die Studenten der TUM im Rahmen eines Semesterentwurfs im Wintersemester 2010/2011 und wurde als Werkplanung durch eine kleinere Gruppe von 6 Studenten im Sommersemester 2011 vertieft. Parallel dazu erfolgte eine baupraktische und handwerkliche Vorbereitung der gesamten Gruppe in Workshops.

Die Schule soll in drei Bauabschnitten errichtet werden, um einen stetiges und nachhaltiges Wachstum der Institution zu gewährleisten.

Der Entwurf des ersten Bauabschnitts besteht aus einer räumlich modernen Komposition aus vier Gebäuden, die verschiedene Freibereiche für unterschiedliche Nutzungen ausbilden. Die Wände der Gebäude werden aus massivem Natursteinmauerwerk in der lokalen Tradition der Region errichtet. Für die Dachkonstruktion wurden vorgefertigte Konstruktionen aus Bambus entwickelt, die in der Bauvorbereitung untersucht und sowohl in München als auch in Nairobi auf ihre Leistungsfähigkeit getestet wurden. Nachdem Holz aus ökologischen Gründen in Kenia ein problematischer Baustoff ist, stellt die Verwendung des schnell wachsenden, einheimischen Bambus eine in Kenia nahezu unbekannte Alternative dar, die bei den kenianischen Partnern auf sehr großes Interesse und Neugier gestoßen ist.

Da das Gebäude sich in einem derzeit noch unerschlossenen Gebiet befindet, sind die Nutzung regenerativer Energiequellen in Form einer Photovoltaikanlage  ebenso wie Konzepte für das Wassermanagement in Form von Regenwassernutzung, Trockentoiletten und biologischen Kläranlagen von entscheidender Bedeutung.

Von dem Projekt soll eine Vorbildwirkung in Bezug auf nachhaltiges Bauen für die bereits einsetzende Bebauung der Umgebung ausgehen.

Im Mai begannen lokale Arbeiter unter Anleitung der Verantwortlichen der JKUAT mit dem Aushub und dem Bau der Fundamente, so dass die Grundmauern bei Ankunft der Vorgruppe Anfang August bereits fertig gestellt waren.

Mit dem Eintreffen der Hauptgruppe am 15. August wurde das studentische Bauprojekt mit einem einwöchigen Einführungsworkshop für die deutschen und afrikanischen Studenten eröffnet. Die Studenten wurden in die verschiedenen Arbeitsbereiche  und in die Benutzung der Werkzeuge und Maschinen eingewiesen.

Während Steinmetz- und Mauerarbeiten hauptsächlich durch die kenianischen Facharbeiter ausgeführt wurden und den Studenten dabei die Rolle von Hilfsarbeitern zukam, erfolgten die Erdarbeiten, die Vorfertigung und Montage des Bambustragwerks sowie die Stahlbetonbauarbeiten in weitgehend selbstständigen Arbeitsgruppen der Studenten.

Besondere Aufmerksamkeit bei den kenianischen Beteiligten erregte die Baustelleneinrichtung, -organisation und die Arbeitsvorbereitung. Aus dem Bambus, dessen Qualität für die Herstellung der Träger ungeeignet war, wurden tragbare Baugerüste, Arbeitsböcke, Baustellentüren und eine Toilette aus Bambus gefertigt. Dadurch konnte der Verbrauch teuren Bauholzes auf ein Minimum reduziert werden. Zur Herstellung des Dachtragwerks aus Bambusträgern und –stützen wurde eine Fertigungsstraße bestehend aus Bambuslager, Sortier- und Reinigungsplatz, Werktisch, zwei Leeren zu Herstellung der Träger und eine Leere zur Herstellung von Rahmenträgern aufgebaut.

Um den Rohstoff möglichst vollständig zu nutzen, wurden die Reststücke der Bambusrohre in dünne Streifen gespalten und als Flechtwerk für die Füllung von Tür- und Fensterläden verwendet.

Die Studentengruppe überzeugte nicht nur durch Engagement, Fleiß und handwerkliches Geschick, sondern ließ sich auch trotz verschiedener widriger Umstände die enthusiastische Grundstimmung nicht nehmen. Beispielweise traf das aus Deutschland gespendete Werkzeug erst mit eineinhalb wöchiger Verspätung im Zoll auf der Baustelle ein.

Die für den Baufortschritt entscheidende Verzögerung ergab sich allerdings aus den Lieferschwierigkeiten des Bambus. Während der Bauzeit wurden von 1.000 benötigten Rohren nur 300 geliefert, nachdem trotz vermeintlicher Trockenzeit anhaltende Regenfälle in den Abadare-Bergen den Transport des geernteten Bambus unmöglich machten. Entsprechend konnte die Dachkonstruktion der Gebäude nur teilweise fertig gestellt werden. Mit dem erhaltenen Material wurde jedoch von allen unterschiedlichen Tragwerksteilen Prototypen hergestellt, Belastungstests durchgeführt und die statischen Berechnungen materialspezifisch aktualisiert.

Die Arbeiten werden voraussichtlich im März 2012 wieder aufgenommen und die Gebäude im April fertig gestellt.

Der bisherige Baufortschritt wurde durch ein großes Richtfest Ende September zu einem vorläufigen, würdigen Abschluss gebracht. Neben den lokalen Arbeitern, den deutschen und kenianischen Studenten, Professoren und Dozenten von JKUAT und TUM, Bauherren, Nachbarn, Jugendlichen aus Mathare und sonstigen Beteiligten war als Ehrengast die deutsche Botschafterin in Kenia anwesend, die zusammen mit der Bauherrin und Initiatorin des Projekts – Ruth Paulig – und Susanne Gampfer im Innenhof der Schule Mangobäume pflanzten.

Der deutsche Verein promoting Africa unter dem Vorsitz von Ruth Paulig arbeitet mit seiner kenianischen Partnerorganisation Youth Support Kenya unter der Leitung von Jimmy Kilonzi in Nairobi zusammen, um Kindern aus dem Slum Mathare  Hilfe im täglichen Leben zu leisten, ihnen eine gute Ausbildung zu ermöglichen und damit eine Chance auf eine menschenwürdige Zukunft zu geben. Das bisher größte gemeinsame Projekt ist der Bau der Handwerksschule.

Die neue Schule soll Jugendlichen aus dem Slum Mathare die Möglichkeit eröffnen, durch eine handwerkliche oder technische Zusatzausbildung einen Einstieg ins Berufsleben und damit in die finanzielle Unabhängigkeit zu finden. Bisher haben viele Jugendlichen aus dem Slum nach dem Ende der regulären Schulzeit nicht die Möglichkeit, eine weiterführende Ausbildung zu bekommen. Im neuen Skills Centre werden fachpraktische Kurse von einheimischen und europäischen Lehrern angeboten. Die Jugendlichen erhalten eine handwerkliche, technische oder landwirtschaftliche Ausbildung. Durch dieses zusätzliche Angebot  soll versucht werden,  eine Lücke im staatlichen Ausbildungssystem schließen.

Die gemeinsame Arbeit deutscher und kenianischer Studenten am Bauprojekt ermöglichte nicht zuletzt einen öffentlichkeitswirksamen Auftakt der geplanten Kooperation zwischen der TUM und der JKUAT. Das Kennenlernen der Dozenten während des Projekts  bietet einen guten Einstieg in die zunkünftige Zusammenarbeit. Zwischen den Studenten entwickelten sich ein herzlicher und  freundschaftlicher Umgang, der in verschiedenen gemeinsamen Freizeitaktivitäten Ausdruck fand.

Einzelheiten des Bauablaufs können im Bautagebuch auf der Internetseite des Fachgebiets Holzbau unter www.holz-tum.de/ nachvollzogen werden.