Im Rheinischen Revier bietet sich durch die Flächenumwidmung des Tagebaus Garzweiler die Chance wesentliche Zukunftsfragen, wie die Entwicklung neuer Mobilitätskonzepte, den Umgang mit dem Klimawandel, neue Möglichkeiten durch die fortschreitende Digitalisierung und die Erprobung innovativer baulich-räumlicher Konzepte, durch die Planung einer beispielhaften Stadt in besonderer Lage zu beantworten. Deswegen soll auf dem Gelände des Tagebaus Garzweilers ab 2025 schrittweise eine neue Stadt für ca. 50.000 Einwohner entstehen.
Für den Johannes-Göderitz-Wettbewerb sollten räumliche und funktionelle Strukturen zu dieser Stadtneugründung entwickelt und in einen städtebaulichen Entwurf überführt werden. Impuls für die Stadtneugründung stellt das Olympische Dorf für die Sommerolympiade 2032 dar, das nach Beendigung der Olympischen und Paraolympischen Spiele das Haupt- oder ein Nebenzentrum der neuen Stadt bilden soll. Maßgeblich für die Qualität dieser neuen Stadt sind ein hohes Maß an Eigenständigkeit und Autonomie. Die neue Stadt soll neben einer alleinstellenden Stadtidee mit großem Identifizierungspotenzial möglichst alle Funktionen einer vollwertigen Stadt erfüllen. Da polyzentrische Stadtregionen im wissenschaftlichen Diskurs als das nachhaltigste Modell der Raumentwicklung gelten, soll diese Stadt den Nachweis erbringen, dass die Idee einer polyzentrischen Stadtlandschaft im Rheinischen umgesetzt werden kann.
Studierende der TUM behandelten diese Fragestellung im Wintersemester 2020/21 im Rahmen eines von Professor Michaeli am Lehrstuhl für nachhaltige Entwicklung von Stadt und Land angebotenen Masterprojekts. Unter den eingegangenen Bewerbungen teilen sich zwei Teams der TUM den ersten Platz und setzten sich gegen die Einreichungen von insgesamt fünf Hochschulen durch.
Das mit einem ersten Preis ausgezeichnete Projekt „Interlocked“ der Studierendengruppe Alesia Prendi, Alix Gelabert y Nuez, Maria Knoll, Ivan Selednikov macht dieses Entwicklungsnarrativ zum Rückgrat Ihres Konzeptes. Für bebaute Bereiche, wie auch für die umgebende Landschaft wird mit einem stetig vorangetriebenen Transformationsprozess eine Struktur von hoher Qualität erzeugt, welche virtuos mit dem ineinander verwobenen temporären und dauerhaften Erschließen von Nutzungsmöglichkeiten, ökologischen Qualitäten und räumlichen Eigenarten den Prozess des Entstehens selbst zur Eigenart der Stadt macht. In einem ausgewogenen Spiel aus spezifischen Eingriffen und generischen Strukturen demonstrieren die Studierenden auf allen Maßstäben von der regionalen Einbettung bis hin zum kleinsten Siedlungselement ihre Vorstellung wie dieser Prozess gelingen und nachhaltig abgesichert werden kann und wie die neuen Bewohner selbst zum Mitgestalter dieser neuen Form von Stadt werden können.
Ebenfalls mit einem ersten Preis prämiert wurde das Projekt „Lost and Found“ der Studierendengruppe Elina Rahn, Felix Bubmann, Oliver Siebert, Christoph König. Hier wird die Landschaft quasi als verbindender Mörtel in den stark gegliederten Stadtkörper hineingezogen und verklammert sich von dort tief in die funktionalen Bereiche der Stadt. Die Einstülpung erlaubt dabei die Anordnung einer relativ hohen baulichen Dichte und damit wenig Landverbrauch auf den Baufeldern und präsentiert sich auch ungewohnt in ihrer Gestaltung. Erst in den Alltagsroutinen der Bevölkerung angeeignet, der Nutzung und der Bewirtschaftung einerseits, sowie andererseits voranschreitenden natürlichen Prozessen, denen im urbanen Gefüge genügend Raum gelassen wird, entsteht die Eigenart des grünen Netzwerks, welches sich weit über die Siedlungsgrenzen in das regionale Hinterland verankert. Kaum in der Vielfalt erfassbar entwickeln die Studierenden im Zoom-in einen Katalog von inneren urbanen Landschaftselementen und deren strukturelle Einbettung hinunter bis auf den Quartiersmaßstab, ohne dabei die Erfordernisse der Gesamtentwicklung einer Stadt von 50.000 Einwohnern aus dem Auge zu verlieren.
Wir gratulieren den Preisträgern!