Die Buddhas von Bamiyan

Sie waren technisch brillant gearbeitet. Sie erstrahlten früher in leuchtenden Farben, die allmählich verloren gingen. 2001 wurden sie zerstört: die Buddhas von Bamiyan. Restauratoren der TUM haben hunderte Fragmente der monumentalen Statuen analysiert und erstmals den Zeitraum der Entstehung verlässlich datiert.

 

Auf der ganzen Welt war die Bestürzung groß, als fanatische Taliban im März 2001 die beiden gigantischen Buddha-Statuen sprengten, die seit dem sechsten Jahrhundert das Bamiyan-Tal im heutigen Afghanistan überblickten. Die 55 und 38 Meter hohen Kunstwerke bildeten bis ins zehnte Jahrhundert das Zentrum einer der größten buddhistischen Klosteranlagen der Welt.

Seit der Niederschlagung der Taliban-Herrschaft bemühen sich europäische und japanische Experten, im Auftrag der UNESCO und koordiniert vom Internationalen Rat für Denkmalpflege (ICOMOS), die Überreste der Statuen zu sichern und wieder zugänglich zu machen.

Und sie nehmen die Fragmente genau unter die Lupe – denn erforscht wurden die Buddhas bis zu ihrer Sprengung kaum. TUM-Wissenschaftler des Lehrstuhls für Restaurierung, Kunsttechnologie und Konservierungswissenschaft haben an der TUM anderthalb Jahre lang mehrere hundert Bruchstücke untersucht. Ihre Erkenntnisse tragen nicht nur zum Verständnis dieses Weltkulturerbes bei, sondern könnten auch ermöglichen, die erhaltenen Teile wieder zusammenzufügen.

Die Statuen wurden aus dem Kliff geschlagen; die äußere Haut mit den wallenden Gewändern formten die Handwerker aus Lehm, den sie in zwei oder drei Schichten auftrugen. Die Überreste zeigen eine erstaunliche Kunstfertigkeit. »Das sind glatte, perfekte Oberflächen – eine Qualität, wie sie sonst nur gebrannte Materialien wie Porzellan haben«, erläutert TUM-Ordinarius Prof. Erwin Emmerling. Sein Team fand im Lehm Stroh und Häcksel, die Feuchtigkeit aufnehmen, Tierhaare, die den Putz wie feine Glasfasern stabilisieren, sowie Quarz und andere Zusätze, die ein Schrumpfen des Putzes verhindern.

Gehalten wurde die untere Putzschicht mit Seilen, die an kleine Holzpflöcke gebunden wurden. So schufen die antiken Handwerker ungewöhnlich dicke Schichten von bis zu acht Zentimetern. »Die Buddhas hatten eine farbintensive Erscheinung«, sagt Emmerling. Die TUM-Restauratoren fanden heraus, dass die Statuen mehrmals übermalt wurden, vermutlich weil die Farben verblasst waren. Die äußeren Roben, die Sangati, leuchteten auf der Innenseite dunkelblau, auf der Oberseite rosa und später orange. In einer weiteren Phase wurde der größere Buddha rot bemalt, der kleinere weiß grundiert, die Innenseiten der Roben wurden mit einem helleren Blau ausgebessert. 

Die grafische Rekonstruktion der TUM-Forscher bestätigt alte Überlieferungen: Schon in Quellen aus dem elften Jahrhundert ist von einem roten und einem mondweißen Buddha die Rede. Die anderen Teile der Figuren hatten möglicherweise eine weiße Grundierung, die aber nicht mehr zweifelsfrei zu belegen ist.

Bisherige Angaben über die Entstehungszeit der Statuen waren Schätzungen. Per Massenspektrometer wurde nun an der ETH Zürich und an der Universität Kiel das Alter der organischen Teile der Lehmschicht ermittelt. Die TUM-Wissenschaftler konnten damit die Bauzeit des kleineren Buddhas auf die Jahre 544 bis 595, die des größeren auf 591 bis 644 eingrenzen. 

Ein Problem ist die Konservierung der Bruchstücke dieses Welterbes. Die ICOMOS-Teams haben die Trümmer – sehr poröser Sandstein – inzwischen in provisorische Lagerhallen im Bamiyan-Tal geschichtet, größere Teile wurden am Kliff abgedeckt. Die gängigen Konservierungsverfahren kommen nicht in Frage, erklärt Emmerling: »Üblicherweise verwendete Kunstharze in den erforderlichen Dimensionen würden sich unter den Klimabedingungen im Bamiyan-Tal zu unterschiedlich im Verhältnis zum Naturstein verhalten.« Der Konservierungswissenschaftler hat deshalb gemeinsam mit der Firma
Consolidas – gegründet von einem TUM-Absolventen – deren noch junges Verfahren für einen möglichen Einsatz an den Buddha-Fragmenten weiterentwickelt: Statt mit Kunstharzen könnten die Steine im Innern mit einer siliciumorganischen Verbindung gefestigt werden.

Darüber hinaus arbeiten die TUM-Restauratoren an einem 3D-Modell des Kliffs, das alle Bruchstücke an ihrem früheren Platz zeigt. Emmerling hält damit einen Wiederaufbau des kleineren Buddhas für grundsätzlich möglich – wobei er für eine Zusammenfügung der erhaltenen Teile, nicht für eine Rekonstruktion des antiken Zustands plädiert. Hinsichtlich des größeren Buddhas ist Emmerling wegen dessen Tiefe von rund zwölf Metern skeptischer. Der kleinere war dagegen mit etwa zwei Metern Tiefe eher reliefartig. Doch auch für seine Errichtung gibt es neben politischen hohe praktische Hürden: Für die Konservierung der Bruchstücke müsste im Bamiyan-Tal eine kleine Fabrik gebaut werden – oder es müssten rund 1 400 Steine nach Deutschland gebracht werden, manche davon zwei Tonnen schwer.

Ob die Riesen-Buddhas wieder aufgebaut werden sollen, hat die UNESCO noch nicht entschieden.

Klaus Becker

TUMcampus 2/11