„BIM@TUM – von Praxisnähe bis Elfenbeinturm“

Der Bedarf an gut ausgebildeten ArchitektInnen und BauingenieurInnen, die fit beim Thema BIM sind, ist riesig. An den Hochschulen gibt es dazu Angebote, die nicht nur die Studierenden in die Thematik einführen, sondern auch Angebote für Fachkräfte aus der Praxis machen. Kasimir Forth, Geschäftsführer des Leonhard Obermeyer Centers for Digital Methods of the Built Environment an der TUM, berichtet in der der aktuellen Ausgabe der DBZ Deutschen BauZeitschrift:

Interaktion von BIM-Varianten in frühen Entwurfsphasen zur Unterstützung bei der Entscheidungsfindung (von links oben nach rechts unten: Darstellung der Variantenentwicklung mittels Entscheidungsbaum, Übersicht unterschiedlicher Bewertungskriterien, Vergleich verschiedener Varianten in mehreren Darstellungsmöglichkeiten, Ausführlicher Überblick über alle Bewertungskriterien einer Variante) Bild: Klaudia Jaskula

Seit dem Hype um Digitalisierung im Bauwesen erreicht das Thema Building Information Modelling (BIM) als eines von vielen Themen in diesem Bereich auch die deutsche Bauindustrie. An der Technischen Universität München (TUM) wird bereits seit über 30 Jahren zu BIM geforscht und entwickelt. Bevor es den Namen BIM erhalten hat, hieß es in der Wissenschaft Produktmodelle und war zunächst auf dreidimensionaler Repräsentation in Kombination mit semantischen Informationen beschränkt. Das Potential dieser Grundlagen wurde im Lauf der Zeit auch auf die damit verbundenen Prozesse erweitert.

Im Folgenden wird beschrieben, wie Ausbildung und Forschung die neue Generation der ArchitektInnen und BauingenieurInnen, die derzeit an der TUM ausgebildet wird, fit macht für die Zukunft. Dazu zählen einerseits junge StudentInnen, aber auch die Fachkräfte aus der Praxis, die gleichermaßen mitgenommen werden sollen.

Interdisziplinärer BIM-Kurs für TUM-StudentInnen

Der aktuellen Studentengeneration von ArchitektInnenen und BauingenieurInnen stehen eine Vielzahl an Seminaren, Vorlesungen, Projekten und Abschlussarbeiten offen, die sich rund um das Thema BIM drehen. Diese werden hauptsächlich an den beiden Fakultäten Architektur und Bau Geo Umwelt an der Schnittstelle zur Informatik angeboten. Der Lehrstuhl Architekturinformatik lehrt beispielsweise Parametric Design, Algorithmic Design oder Performance-based Design, bei denen auch die Verknüpfung zu BIM eine Rolle spielt. Der Masterstudiengang „Bau­ingenieur­wesen“ bietet den Vertiefungszweig „Building Information Modeling“ an, bei dem vom Lehrstuhl für Computergestützte Modellierung und Simulation unter anderem „Computation in Engineering“ sowie Kurse zur Softwareentwicklung mit BIM-Bezug angeboten werden. Beide Lehrstühle bieten gemeinsam einen BIM-Kurs an, der den Schwerpunkt in der BIM-Lehre an der TUM bildet.  

Theorie und Praxis

Im interdisziplinären Kurs „Building Information Modeling“ werden Theorie und Praxis der einheitlichen digitalen, modellbasierten Planung vermittelt. Dieses einsemestrige Modul besteht in seiner heutigen Form bereits seit 2011. In der Vorlesung werden die technologischen Grundlagen digitaler Planungstools sowie Fragen des Datenaustauschs und des Datenmanagements behandelt und diskutiert.
Im praktischen Teil lernen die Teilnehmer den Umgang mit digitalen Entwurfswerkzeugen und verschiedenen Simulations- und Analysewerkzeugen. Dies dient als Grundlage für die Realisierung eines gemeinsamen Entwurfs, der von Studenten der Fachrichtungen Architektur, Bauingenieurwesen und dem Studiengang „Nachhaltiges und energieeffizientes Bauen“ umgesetzt wird, in dem digitales Engineering, der Einsatz von Simulationswerkzeugen und der kontinuierliche Datenaustausch praktiziert werden. Die Wahl der einzelnen Programme ist jedem Team freigestellt, eine enge gruppen­interne Abstimmung dazu aber umso wichtiger.
Ziel der Veranstaltung ist es, im interdisziplinaren Austausch zwischen Bauingenieuren, Architekten und Fachplanern die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen dieser Softwarelösungen zu untersuchen. […]

Advanced Topics in BIM

Die steigende Relevanz der Thematik spiegelt sich in dem vermehrten Andrang von Studierenden für diesen Kurs wider. Da in den letzten Jahren die Bewerberzahl die Teilnehmerzahl um ein Fünffaches überstieg, wird dieser Kurs künftig zweimal im Jahr angeboten. Im Anschluss an den BIM-Kurs haben die Teilnehmer die Möglichkeit, im Rahmen des Kurses „Advanced Topics in BIM“ weitere Vorträge von Experten aus der Wirtschaft anzuhören und sich in einem Teilaspekt der Thematik in einer Seminararbeit zu fokussieren. Dies kann in einer der zahlreichen Masterarbeiten zu BIM fortgesetzt und vertieft werden.
Dieses Konzept der stufenweisen Heranführung an BIM, sowohl mit praktischer, softwareüber­greifender Anwendung als auch theoretischen Grundlagen, hat sich im Laufe der Jahre bewährt. Regelmäßig gewinnen StudentInnen und NachwuchswissenschaftlerInnen bei verschiedenen Wettbewerben, wie „Auf IT gebaut“, „VDI-Preis“, „BIM-Suhr-Preis“ oder „Best-Paper-Awards“ auf internationalen Konferenzen.

Lebenslanges Lernen mit BIM-Professional

Neben der Ausbildung von zukünftigen ArchitektInnen und BauingenieurInnen wird die Digitalisierung im Bauwesen mit BIM als eines der Bausteine jedoch nur gelingen, wenn auch die aktuell praktizierenden Fachplaner mitgenommen werden. Dazu hat die TUM in ihrer vor kurzem genehmigten Exzellenzstrategie als einen zukunftsweisenden Baustein das Konzept des „Lebenslangen Lernens“ etabliert. Als eines der Vorzeigebeispiele gilt das Zertifikatsprogramm „BIM Professional“, welches das Leonhard Obermeyer Center gemeinsam mit dem TUM Executive Education Center, der Ruhr-Universität Bochum und Hochtief Vicon bereits 2017 ins Leben gerufen haben. […]

BIM-Forschung am Leonhard Obermeyer Center der TUM

Neben der Aus- und Fortbildung von jungen und erfahrenen ArchitektInnen und BauingenieurInnen ist jedoch auch die innovative Erforschung von zukünftigen Wissenschaftsfeldern der BIM-Thematik zu Schnittstellen von weiteren digitalen Methoden erforderlich. Aus diesem Grund haben sich im Jahr 2013 fünf Lehrstühle der TUM zum „Leonhard Obermeyer Center for Digital Methods of the Built Environment“ (LOC) zusammengeschlossen. Benannt wurde das Zentrum nach dem zuvor verstorbenen innovativen Bauingenieur ­Leonhard Obermeyer, der sich mit seinem Büro Obermeyer Planen + Beraten um den Bereich der computergestützten Planung im Bauwesen verdient gemacht hat und bereits 1981 die Konrad-Zuse-Medaille erhalten hat.
Das LOC bündelt die wissenschaftliche Expertise von über 60 Forschern der fünf Gründungslehrstühle Architekturinformatik, Computergestützte Modellierung und Simulation, Computation in Engineering, Geoinformatik, Photogrammetrie und Fernerkundung sowie zukünftig auch des Lehrstuhls für Bauprozessmanagement. Im Dialog mit Partnern aus Industrie und staatlichen Institutionen definiert das LOC gemeinsam technologische Forschungsschwerpunkte und sieht sich durch enge Vernetzung mit Entscheidungsträgern als Think Tank für strategische Entwicklungen in diesem Bereich. Dazu gehören die Themenfelder, die von numerischen Methoden (Prof. Rank) über Building Information Modeling (Prof. Borrmann), Geospatial Information Modeling (Prof. Kolbe), Computer Aided Architectural Design (Prof. Petzold), Fernerkundung und Punktwolkenverarbeitung (Prof. Stilla) bis hin zu Bauprozessmanagement (Prof. Nübel) reichen.

BIM-Kompetenz in den Schnittstellen

Das Zentrum basiert auf einer intensiven interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Lehrstühlen in Forschung und Lehre. Besonderes Augenmerk wird auf alle Aspekte der Modell- und Methodenintegration aus CAD, BIM, Geoinformationssystemen (GIS) sowie auf Methoden zur automatisierten Generierung und Validierung digitaler Modelle gelegt. Die Mitglieder sind aktiv an der Entwicklung internationaler Standards in den Bereichen BIM (z. B. IFC) und virtuelle 3D-Stadtmodelle (z. B. CityGML, Web 3D-Service, ­IndoorGML) in der buildingSMART Alliance und dem Open Geospatial Consortium beteiligt.
Die enge Zusammenarbeit des LOC ermöglicht auch Studenten, sich mit den Schnittstellen der verschiedenen Fachdisziplinen auseinander zu setzen. Dazu zählen Forschungsprojekte im Bereich von BIM und Infrastruktur, BIM-integriertem Baufortschrittskontrolle, BIM und Holzbau, Visualisierung u. a. mit Augmented und Virtual Reality (AR/VR), BIM im Bestand, Nachhaltigkeits­untersuchungen mithilfe von BIM etc. Im Weiteren werden auszugsweise drei Forschungsprojekte vorgestellt, bei denen auch StudentInnen aus den Disziplinen der Architektur, Bauingenieurwesen und Informatik ihr Wissen an der zukünftigen Entwicklung von BIM im Rahmen ihres Studiums vertiefen können.

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Neben der praxisrelevanten Grundlagenforschung mit den Premium Membern des LOC gibt es auch Ausgründungen aus Forschungsprojekten, wie beispielsweise a:ccurate, Urban Strategy Lab oder BIMtech, die die Lücke zwischen Wissenschaft und Wirtschaft schließen. Mit weiteren Start-­ups aus der Branche, wie beispielsweise CAPMO oder Alasco, wird auch im Rahmen von gemeinsamen Masterarbeiten zusammengearbeitet.
Weiterhin veranstaltet das LOC Workshops, Talks mit internationalen Experten, Konferenzen wie den jährlichen Center Day oder Sessions zusammen mit der BIM World Munich, dem BIM Cluster Bayern, den BIM weeks Bayern oder Digital Builders Munich. Dabei steht der Wissenstransfer von den theoretischen und praktischen Erfahrungen im Mittelpunkt, weshalb die Veranstaltungen kos­tenlos und öffentlich zugänglich für StudentInnen und alle weiteren Interessierten sind.

Seit September 2019 wird im Rahmen des Gertrud-Obermeyer-Stipendiums die Informationsintegration über die Bereiche BIM und GIS hinweg erforscht. Weitere zukünftige Forschungsschwerpunkte von BIM liegen zukünftig verstärkt in den Schnittstellen zwischen den Feldern Additive Fertigung, Digitaler Zwilling, Künstliche Intelligenz und Smart Cities.
 

Der Artikel „BIM@TUM – von Praxisnähe bis Elfenbeinturm“ ist in der neuesten Ausgabe der DBZ Deutschen BauZeitschrift erschienen. Die Veröffentlichung dieser Meldung erfolgt mit freundlicher Genehemigung der DBZ. 
Der vollständige Bericht kann auf der DBZ-Website und in der aktuellen Ausgabe 01/2020 zum Thema Digitalisierung gelesen werden.